Südtirol - ein kurzer Geschichtsabriss

Geschichte Südtirols

Die Grenze am Brenner, die heute das Land Tirol teilt, wurde 1919 im Friedensvertrag von Saint Germain von den alliierten Siegern festgelegt, als Italien den Preis für seinen Verrat von 1915 ausbezahlt bekam. Denn bis 1915 war Italien mit Österreich verbündet gewesen.

Das Habsburgerreich, seit 1914 im schweren und äußerst verlustreichen Abwehrkampf im Osten gegen Russland stehend, konnte für die bedrohte Tiroler Front kaum Truppen freimachen. Hätte es nicht die Tiroler Standschützen, den Landsturm und Freiwillige aus dem ganzen Alpenraum gegeben niemand hätte die Italiener am Marsch auf Wien hindern können. Erst nach und nach rückten reguläre Truppen heran, um die Südwestfront halten zu helfen.

Militärische Erfolge blieben dem Königreich Italien während des gesamten Krieges versagt. Im Oktober 1917 wurde es vielmehr durch die erfolgreiche Offensive der k.u.k. Armee nach der Durchbruchsschlacht von Flitsch-Tolmein an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Durch die Hilfe französischer, britischer und amerikanischer Truppen und durch die bereits eklatanten Nachschubschwierigkeiten der Österreicher konnten die Italiener damals gerettet werden. Österreich-Ungarn aber, das im Felde bis zuletzt unbesiegt blieb, wurde durch den Hunger und die Vorahnung der Niederlage in die Knie gezwungen. Mitten in Zusammenbruch, Rückzug und Chaos des November 1918 marschierte die italienische Armee in ein Land ein, dass sie mehr als drei Jahre hindurch vergeblich zu erobern versucht hatte.

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Tiroler Soldaten am höchsten Berg Österreichs,
dem 3905 m hohen Ortler

Trotz des, vom amerikanischen Präsidenten Wilson einem bekennenden Rassisten und Befürworter der Fernhaltung der Schwarzen von den amerikanischen Universitäten verkündeten Rechts auf Selbstbestimmung der Völker, trotz des Einspruchs der Regierung Tirols und Österreichs, trotz der abgehaltenen Unterschriftenaktionen wurde Italien das Gebiet Südtirols im Frieden von St. Germain zugesprochen. Ein Gebiet, welches seit mehr als fünf Jahrhunderten zu Österreich gehört hatte und noch länger zu 99 Prozent von einer deutschsprachigen Bevölkerung bewohnt worden war.

Die Südtiroler wurden zu einer Minderheit innerhalb Italiens. Mit der Machtübernahme der Faschisten unter Mussolini wurden die Deutschsprachigen Zug um Zug ihrer Rechte beraubt: Der deutsche Schulunterricht wurde abgeschafft, Deutsch als Amtssprache durch das Italienische ersetzt. Die Verwendung der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit wurde mit schwerer Strafe bedroht, deutsche Aufschriften verboten, die deutschsprachige Presse zensiert, bzw. musste ihr Erscheinen einstellen. Man zerschlug das Südtiroler Vereinswesen, 1925 begann man auch damit, die Gemeindeautonomie abzuschaffen, ein Jahr später wurden die frei gewählten Bürgermeister abgesetzt und durch staatliche, faschistische Amtsbürgermeister aus dem italienischen Süden ersetzt, die von den örtlichen Gegebenheiten keine Ahnung hatten.

Selbst vor dem ureigensten Besitz eines Menschen, seinem Namen, machte man nicht halt: die Familiennamen, ab 1927 auch alle Grabinschriften der Südtiroler, mussten italianisiert werden. Die von Ettore Tolomei erfundenen Flur- und Ortsnamen (also fiktive italienische Namen für jahrhundertealte deutsche Bezeichnungen) wurden zu amtlichen Bezeichnungen in ganz Südtirol, das nun "Alto Adige" (Hochetsch), genannt wurde. Beispielsweise aus Hafling wurde "Afelengo" und aus dem Glockenkarkopf dem nördlichsten Gipfel Südtirols machte man den "Vette d'Italia", den "Scheitel Italiens".

Wie die Nationalsozialisten bald darauf den Namen "Österreich" von der Landkarte tilgten, wurde auch der Name "Tirol" von den Italienern verboten.

Öffentliche Bauten wurden im faschistischen Baustil errichtet, wie das bis heute in Bozen stehende Siegesdenkmal. "Hier an der Grenze des Vaterlandes, setzt das Zeichen. Von hier lehrten wir den Barbaren Sprache, Gesetz und Kultur", steht in Latein darauf. Rechts: Mussolinirelief. Der Diktator hoch zu Ross mit faschistischem Gruß, fertiggestellt 1947(!)

Das Verbot des deutschen Schulunterrichts trifft die Substanz des Volkes. In Kombination mit der starken italienischen Zuwanderung gerieten die Südtiroler immer mehr in Bedrängnis. In regelrechten "Katakombenschulen", illegalen Notschulen, unterrichteten engagierte Personen, trotz brutaler Verfolgung, die deutsche Sprache weiterhin.

Als sich im Jahre 1938 Hitler und Mussolini über den weiteren gemeinsamen außenpolitischen Weg einigten und die Italiener der Annexion Österreichs durch Nazi-Deutschland zustimmten, ist wieder Südtirol der Preis. Man stellte die Südtiroler vor die Wahl, entweder in der Heimat zu verbleiben und endgültig italienisch zu werden oder aber ins Deutsche Reich oder vielmehr in die neu eroberten Gebiete im Osten umzusiedeln. Dass die völlige Auslöschung der 1200-jährigen Geschichte der Tiroler in Südtirol nicht verwirklicht werden konnte, hatte man dem erneuten Bündnisverrat Italiens im Jahre 1943 zu verdanken. Südtirol wurde von deutschen Truppen besetzt.

Nach dem Zusammenbruch Hitlerdeutschlands 1945 und der vorübergehenden Befreiung durch die Alliierten fand die Italienisierung Südtirols rasch ihre Fortsetzung. Dabei wurde nach dem alten Rezept vorgegangen: Bau von Fabriken, Arbeiterwohnungen und Vergabe der Arbeitsplätze ausschließlich an die zugereisten Italiener. Mit dieser Methode gelang es, die Zahl der Italiener in Südtirol in den Jahren 1922 bis 1960 zu verzehnfachen. Gab es 1913 kaum drei Prozent Italiener in Südtirol, so waren es 1960 bereits 30 Prozent.

Bundeskanzler Leopold Figl erklärte 1945 die "Südtirolfrage" zum wichtigsten Punkt der österreichischen Außenpolitik: "Wir wollen nicht von der Ungerechtigkeit gewisser Grenzziehungen vom Jahre 1918 reden, aber eines ist uns kein Politikum, sondern eine Herzenssache, und das ist Südtirol. Seine Rückkehr nach Österreich ist ein Gebet jedes Österreichers." Sogar Republiksgründer Karl Renner meinte: "Man gebe uns ein gesichertes und ausreichendes Staatsgebiet! Man gebe uns Südtirol zurück, das vor Gott und der Welt uns gehört!"

Die folgenden Demonstrationen und Kundgebungen von Hunderttausenden Menschen in ganz Österreich und Südtirol, die die Wiedervereinigung forderten, nützten nichts. Die Alliierten gedachten Italien nicht weiter zu schwächen, und Österreich, von dem noch nicht klar war, welchem Lager es im bevorstehenden Kalten Krieg beitreten würde, wollten die Sieger durch Südtirol nicht stärken. Die Wünsche und Hoffnungen von Hunderttausenden Südtirolern zählten nicht.

Nach langwierigen Verhandlungen wurde 1946 in Paris das sogenannte "Gruber-deGasperi-Abkommen" geschlossen. Es wurde nach den Außenministern Österreichs und Italiens benannt und beinhaltete den Autonomiestatus, bzw. eine Reihe von Schutzmaßnahmen für Südtirol. Dadurch wurde Südtirol von einer "italienischen" zu einer internationalen Angelegenheit, bei der Österreich die Schutzmachtfunktion für die deutschsprachige Minderheit innerhalb Italiens auszuüben hatte.

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Die Außenminister Gruber (rechts) und De Gasperi

Die Verwirklichung dieses Vertrages mit einer relativen Autonomie Südtirols wurde jedoch auch vom nunmehr demokratischen Italien immer weiter hinaus gezögert. So erklärten die Italiener auch das italienischsprachige Trentino (Welschtirol) zu einem Teil des autonomen Gebietes (Provinz Bozen), mit dem Erfolg, dass nun eine italienische Mehrheitsbevölkerung einer deutschen Minderheit innerhalb des gesamten Autonomiegebietes gegenüberstand. Unter diesen Bedingungen konnte von einer Autonomie für Südtirol keine Rede sein. Der Unmut wuchs.

Weitere Schikanen folgten: 1955 trat ein Gesetz in Kraft, nach welchem es verboten war, Kindern italienischer Staatsangehörigkeit, fremdsprachige, im Falle Südtirols deutsche Vornamen zu geben. In weiterer Folge musste der innere Amtsverkehr in Südtirol in italienischer Sprache geführt werden, auch zwischen rein deutschsprachigen Dienststellen. Südtiroler, die die Selbstbestimmung forderten, wurden verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt. Auch die Italienisierung machte weiter Fortschritte, viele der faschistischen Gesetze aus der Vorkriegszeit wurden reaktiviert. Überhaupt stellten und stellen die italienischen Faschisten einen gewichtigen Teil der Südtiroler Politikszene dar, eine Aufarbeitung der Vergangenheit wie in Deutschland oder Österreich hat es bis heute nie gegeben.

Nachdem sich die Lage derartig zugespitzt hatte und die italienische Seite nicht daran dachte einzulenken, beschloss die österreichische Bundesregierung die Angelegenheit der UNO vorzutragen. Außenminister Bruno Kreiskys Rede vor der UNO-Vollversammlung 1960 internationalisierte die Südtirolfrage und veranlasste Italien in Verhandlungen mit Österreich einzutreten. Doch auch diese zeigten keinerlei Erfolg: Italien erklärt sich lediglich zu einer besseren Durchführung des vorliegenden Autonomiestatus bereit, widersetzt sich ansonsten aber jeder positiven Änderung zugunsten der Südtiroler. Eine eigenen Landesautonomie, ausschließlich für die deutsch- und ladinischsprachigen Gebiete, kam für die italienische Regierung nicht in Frage, befürchtete man doch, dies wäre der erste Schritt zur Wiedervereinigung mit Österreich.

Schon ab den 50iger Jahren war es immer wieder zu kleineren Anschlägen vor allem gegen faschistische Symbole gekommen, im Jahre 1961 die bilateralen Gespräche verliefen im Sand und die italienische Staatsmacht ging in Südtirol repressiver denn je vor kam es zum Höhepunkt der Anschlagsserien: In der "Feuernacht" vom 11. auf den 12. Juni 1961 (symbolträchtigerweise in der Nacht des Herz-Jesu-Festes) sprengten Aktivisten des „Befreiungsausschusses Südtirol" 70 Strommasten der Überlandleitungen und legten damit die Energieversorgung von Norditalien lahm.

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Gesprengte Überlandleitungen

Unbestätigten Meldungen zufolge sollen sich die Südtirol besetzt haltenden, italienischen Truppen in der Feuernacht nicht aus ihren Kasernen gewagt und italienische Mitbürger die Südtiroler um Rettung vor der einmarschierenden österreichischen Armee angefleht haben (die Detonationen der Sprengungen hielt man offenbar für das Grollen der österreichischen Artillerie).

Der zunächst ausschließlich gegen Sachen gerichtete Protest, rief härteste Gegenmaßnahmen der Italiener hervor. Nachdem Südtirol in ein Heerlager verwandelt worden war, folgten Verhaftung, Folterung und Aburteilung von zahlreichen Südtirolaktivisten. Obwohl damals die Bilder von zu Tode gefolterten Südtirolern (z.B. Franz Höfler) um die Welt gingen, wurden die verantwortlichen Carabinieri in Prozessen freigesprochen, teilweise sogar befördert oder unterlagen einer Amnestie.

Der schon sehr bald von Sympathisanten aus Österreich und der Bundesrepublik Deutschland unterstützte Widerstand ging jedoch weiter. Sprengung von Gebäuden und Denkmälern folgten regelrechte Kämpfe mit dem italienischen Militär. Anschläge von Südtiroler und Gegenanschläge von italienischen Faschisten in Österreich forderten zahlreiche Todesopfer. Beiden Seiten ging es nunmehr darum, eine Einigung in den bilateralen Verhandlungen zu verhindern. Denn die Politik begann in der Zwischenzeit eine "Paket" und einen "Operationskalender" auszuarbeiten, um den derzeitigen Autonomiestatus Südtirols zu verbessern.

Das "Paket" umfasste 137 Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung in Südtirol, der "Operationskalender" bestimmte in welchem Zeitrahmen diese Maßnahmen umgesetzt werden sollten. Diese erweiterten Autonomiebefugnisse, die von der Region Trentino-Tiroler Etschland auf die beiden Provinzen Trentino und Tiroler Etschland (Bozen) übergingen, dienten in erster Linie dem Schutz der ethnischen Minderheiten im italienischen Gesamtstaat und sollten den Südtirolern die Möglichkeit verschaffen, sich auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet zu entfalten. Von nun an sollte auch von "Südtirol" (offiziell "Autonome Provinz Bozen-Südtirol") nicht mehr vom "Tiroler Etschland" (oder "Alto Adige") die Rede sein. Konkret umfasste das "Paket" zum Beispiel auch die Gleichstellung der deutsche Sprache mit der italienischen, daneben konnten die Südtiroler nun ebenfalls öffentliche Stellen und Ämter einnehmen und der autonomen Provinz Südtirol wurde weitrechenden Selbstverwaltungsrechte eingeräumt. Die deutsche Sprache wurde wieder zur Unterrichtssprache zugelassen.

Aber mit dem "Paket" sollte es noch lange Jahren dauern, bis ein Durchbruch erzielt war. Solange die Anschläge in Südtirol mit Duldung Österreichs andauerten, drohte Italien seine Zustimmung zu einem EWG-Beitritt Österreichs zu verweigern und legte sich in den Südtirolverhandlungen quer. Die ständigen Regierungskrisen in Italien taten ein übriges zur Verzögerung hinzu.

Nach einem schweren Anschlag im Juli 1967 am Vallonapaß, bei dem vier italienische Soldaten getötet wurden, besetzten Truppen des Bundesheeres die österreichisch-italienische Grenze, um neuerliche Anschläge zu verhindern. Erst jetzt wurde das EWG-Veto Italiens fallen gelassen, 1969 einigten sich Österreich und Italien auf das "Maßnahmenpaket" (siehe oben), welches bis 1974 schrittweise umgesetzt werden sollte. Wie nicht anders zu erwarten, verzögerte sich auch diese endgültige Umsetzung bis Ende der 80er Jahre hinein. In dieser Zeit kam es auch zu neuerlichen Anschlägen, durchgeführt durch eine vom italienischen Geheimdienst gelenkte Gruppe, mit dem Ziel die entstehende Südtirolautonomie zu untergraben.

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Österreichische Soldaten sperren die Grenze

1991 wurde die letzte Maßnahme aus dem "Paket" durchgeführt, 1992 erfolgte nicht zuletzt aufgrund der Drohung Italiens den anstehenden EG-Beitritt Österreichs zu verhindern die Streitbeilegungserklärung Österreichs vor der UNO.

Mit dem Ende des Kalten Krieges, dem Eintritt Österreichs in die EG, bzw. dem Fall der Grenzen und dem damit einhergehenden Abzug starker Teile der italienischen Armee, der Finanzwache und der Carabinieri, nahm der italienische Bevölkerungsanteil in Südtirol ständig ab. Auch hohe Lebenserhaltungskosten waren und sind der Grund für die Abwanderung, zum Beispiel italienischer Pensionisten, zurück in ihre angestammte Heimat.

Seit dem Beitritt Österreichs in die Europäische Union hört man häufig von Politikern beider Länder den Begriff "Europaregion Tirol". In diesem Zusammenhang wird die Südtiroler Autonomie als vorbildlich betrachtet. Abgesehen davon, dass die EU die autonome Region Südtirol als eigenständiges Rechtsobjekt nicht anerkennt, ist darüber hinaus die italienische Politik nach wie vor nicht gewillt, von ihrer von Rom aus geführten, zentralstaatlichen Macht abzuweichen, um dem Land Südtirol hoheitsrechtliche Befugnisse einzuräumen.

Noch heute stellt Österreich, wie jüngst bestätigt in der neuen Verfassung, die "Schutzmachtfunktion" für Südtirol. Die Tiroler Landesregierung, die autonome Landesregierung von Südtirol und die österreichische Außenpolitik haben das Recht auf Selbstbestimmung für den südlichen Teil Tirols niemals offiziell aufgegeben.

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