"Gott erhalte..."

"...Die Fahne senkte sich und aus dem knatternden Wirbel der Trommeln empor erhob sich als das stärkste Symbol jenes unvergesslichen Vaterlandes der Kindheit in herrlich genauem Zusammenklang der Instrumente mächtig, feierlich und immer wieder erschütternd die begnadete Melodie des "Gott erhalte"."
A. Wildgans "Musik der Kindheit"

Von den vielen Symbolen Österreichs ist die Kaiserhymne wohl eine der bekanntesten. Der englischen Nationalhymne "God save the King" nachempfunden, wurde sie erstmals am 12. Februar 1797 anlässlich des Geburtstages Kaiser Franz II. vorgespielt. Die Melodie, in Anlehnung das burgenlandkroatische Volkslied "Vjutro rano se ja stanem" von Joseph Haydn geschrieben, erlangte mit der Zeit große Popularität und steigerte in den Franzosenkriegen den Patriotismus des Volkes und die Kampfmoral der österreichischen Truppen.

Bereits vor der Uraufführung hatte der Dichter Lorenz Leopold Haschka einen vierstrophigen Text, der mit den Worten "Gott erhalte Franz den Kaiser!" begann, geschrieben. 1826 wurde die Melodie und eine modifizierte Version des Haschka-Textes auf "Allerhöchste Entschließung" des Kaisers zur offiziellen Hymne Österreichs und damit zur "Volkshymne" erklärt.

Nach dem Tod von Kaiser Franz wurde der neue Text "Segen Öst"reichs hohem Sohne" auf seinen Nachfolger Ferdinand I. gedichtet, der bis 1848 Bestand hatte. Obwohl auch dieser Text in alle Sprachen der Monarchie übersetzt wurde, erwies sich Haschkas "Gott erhalte" als weitaus beliebter.

Mit dem Regierungsantritt von Kaiser Franz Joseph I. gedachte man deswegen, zum "Gott erhalte" zurückzukehren und diesen Text so zu verändern, dass er unabhängig von den jeweiligen Herrschern auf Dauer Geltung haben würde. Dieser endgültige Text wurde von Johann Seidl 1854 verfasst und von Kaiser Franz Joseph im selben Jahr abgesegnet. Es wurden Übersetzungen in die Amtssprachen aller in der Donaumonarchie befindlichen Königreiche vorgenommen. Somit existierte die Hymne zusätzlich zu den mitteleuropäischen Sprachen auch auf Hebräisch, da der Kaiser den Erbtitel des Königs von Jerusalem trug, nicht aber auf Slowakisch, da die heutige Slowakei ja damals Teil Ungarns war. Die vierstrophige Volkshymne erhielt später noch Zusatzstrophen auf IM Kaiserin Elisabeth, SKH Kronprinz Rudolf und nach dem Zusammenbruch der Monarchie auch auf SKH Erzherzog Otto von Habsburg.

volkshymne

Hier finden Sie eine Audioversion der Haydn-Hymne. Die Aufnahme entstand unmittelbar vor Ende der Ersten Republik im März 1938, es spielen die Wiener Philharmoniker.

Seidls Text kann insofern als besonders gelungen bezeichnet werden, weil er genau auf die im Volk verwurzelte Haydn-Hymne passte, es vermied auf "trübe, vorübergehende Zeitereignisse" (A. Stifter) Bezug zu nehmen und stattdessen die Einigkeit der Monarchie in einer glorreichen Zukunft beschwor. Überdies verdeutlicht Seidl in der vierten und letzten Strophe das alte mystische Motto Österreichs "A.E.I.O.U." - gelesen als Austria erit in orbe ultima "Österreich wird ewig sein" - wenn er sie mit den Zeilen enden lässt: "Heil dem Kaiser, Heil dem Lande: Österreich wird ewig steh'n!".

Franz Grillparzer, der selbst einen, jedoch verfehlten, Hymnentext entworfen hatte, widmete 1858 der Kaiserhymne folgendes Gedicht:

Als ich noch ein Knabe war,
Rein und ohne Falte,
Klang das Lied mir wunderbar,
jenes "Gott erhalte".

Selbst inmitten der Gefahr,
Von Getös' umrungen,
Hört' ich's weit entfernt, doch klar
Wie von Engelszungen

Und nun müd' und wegeskrank,
Alt, doch auch der alte,
Sprech' ich Hoffnung aus und Dank
Durch das "Gott erhalte".

Die Hymne, die im alten Österreich jeder von Kindesbeinen an kannte, die man in der Schule zuerst gesungen, die jahrzehntelang ein und demselben Monarchen gewidmet und in allen Volksschichten, vom Hochadel über Bürgertum, Arbeiterschaft und Bauern, gleichermaßen verankert war, verfehlte auch ihre Wirkung auf Deutschland nicht. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben verfasste 1841 den gegen das übernationale Haus Habsburg gerichteten Text "Deutschland, Deutschland über alles" auf die Haydn-Melodie, womit das Ziel der großdeutschen Bewegung, ein rein deutsches Reich, zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die Hymne des 1871 geeinten Deutschen Kaiserreichs wurde jedoch die alte preußische Hymne "Heil dir im Siegerkranz" zur Melodie des englischen "God save the King".

Bis 1918 behielt die österreichische Kaiserhymne ihren übernationalen Charakter jedoch bei. 1920 dichtete Staatskanzler Renner "Deutschösterreich, Du herrliches Land" zu einer Melodie von Wilhelm Kienzl. Dieses Lied wurde nie offiziell zur Hymne und konnte sich auch im Volk nicht durchsetzen, sodass ab 1929 die Haydn-Hymne von der Republik wieder verwendet wurde, allerdings mit dem Text "Sei gesegnet ohne Ende". Das Deutsche Reich hatte die österreichische Haydn-Hymne zum Text von Fallerslebens "Deutschland, Deutschland über alles" - offenbar in Ermangelung eigener, geeigneter Kompositionen - 1922 offiziell eingeführt.

In Folge der Okkupation der alten österreichischen Hymne wurde 1946 die Melodie "Brüder reicht die Hand zum Bunde", geschrieben von Johann Holzer, einem Logenbruder W. A. Mozarts, als neue österreichische Hymne eingeführt. Der Text "Land der Berge, Land am Strome" stammt von Paula von Preradovic. Nach 1945 bemühte sich die Republik nicht mehr um den Erhalt der Haydn-Hymne.

Dennoch erfreut sich das "Gott erhalte" in Österreich nach wie vor großer Bekanntheit und Beliebtheit. Offiziell im Sinne eines Staatsaktes erklang das Lied letztmals im Juli 2011 bei der Beisetzung SKH Ottos von Habsburg im Stephansdom, live übertragen vom Österreichischen Rundfunk, in Anwesenheit der republikanischen Staatspitze.

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